Über das Projekt:
Projektaufgabe war die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Jan Hus' und seinen geschichtlichen Schauplätzen in der Stadt Konstanz, um eine
angemessene Form für die Erinnerung an Jan Hus zu finden und zu gestalten.
Jan Hus gilt als Vorreiter von Martin Luther, aber nur wenige kennen seine Geschichte und die für damalige Verhältnisse revolutionäre Ideen: Er übersetzte die Bibel ins Tschechische und wagte es,
in Tschechien zu predigen. Er propagierte das Abendmahl für alle Christen, prangerte den Ablasshandel und die Unterdrückung des einfachen Volkes durch den Klerus an und stellte die Autorität der
Bibel über die des Papstes. Seine Ideen führten jedoch erst 100 Jahre später durch Martin Luther zur Reformation der Kirche.
Das Ziel war es, das Bild eines Mannes und seiner Ideen nachzuzeichnen, von dem selbst nicht mal ein Bild überliefert ist und dessen Wirken nur im Unterbewusstsein der Geschichte gespeichert ist.
Erst bei genauem Hinsehen sind die deutlichen Spuren zu erkennen, die Jan Hus in der Geschichte Europas hinterlassen hat. Auch die Stadt Konstanz hat ihre Erinnerungen an Jan Hus vor allem im
Unterbewusstsein gespeichert. Für die Erinnerungen oder auch »Spuren« wurde mit diesem Projekt in der Stadt Konstanz und an dessen Schauplätzen der Geschichte eine angemessene und zeitgenössische
Form für die Erinnung an Jan Hus gefunden und gestaltet.
Die Spuren des Jan Hus wurden durch das Spiel von Licht, Schatten, Spiegelungen und Reflexionen sichtbar gemacht. Dabei wecken sechs ort- und zeitgeschichtlich gebundene Interventionen die
Neugierde des Betrachters und das anschließende Interesse für die Thematik. Die Kommunikation erfolgt hierbei auf einer sehr poetischen und leisen Art und Weise.
Anlässlich des Konziljubiläums im Jahr 2014 in Konstanz werden die Spuren von Jan Hus verfolgt und beleuchtet. Diese Fußspuren sollen aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert werden
und durch ein Werkzeug sichtbar gemacht werden. Das Werkzeug »Licht« ermöglicht hierbei eine große Varianz, sowie das Spiel mit Tag und Nacht. Zugleich dient es als optimales Zeichenwerkzeug, um
Vorhandenes sichtbar zu machen und zu betonen. Durch speziell eingesetzte Materialien wie Folien und Spiegel werden Lichtstrahlen eingefangen und reflektiert, wodurch sich eine Parallele zum
Titel des Projektes ergibt.
Basis der Interventionen bilden insgesamt sechs Stationen, an denen Jan Hus in Konstanz seinen individuellen Abdruck hinterlassen hat. Mittels Licht und Schatten, Spiegelungen und Reflexionen
werden Details vor Ort herausgearbeitet und Verborgenes sichtbar gemacht. Alle sechs Interventionen funktionieren am Tag und in der Nacht. Zusätzlich beeinflussen die wechselnden Lichtbedingungen
im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter die Wirkung der Intervention.
Hochschule:
Hochschule Konstanz, Technik Wirtschaft und Gestaltung; Studiengang Kommunikationsdesign (MA), Sommersemester 2011
Kurs:
Design und Raum II
Projekt:
Reflexionen: Jan Hus in Licht und Schatten
Entwicklung eines zeitgenössischen Denkmals für Jan Hus im öffentlichen Raum in Konstanz
Leistungen:
Abstrakte Fotografien, großformatiges Bildermagazin als Begleitmedium zur angedachten fotorhetorischen Ausstellung, Postkartenserie, großformatige
Fotografien
Kompetenzen:
Konzeption, Fotografie, Grafik, handwerkliche Arbeit
Projektpartner:
Andrea Dendorf, Christina Maria Pandya (beide
Kommunikationsdesignerinnen), Armin Schleicher (Architekt)
Betreuung:
Prof. Eberhard Schlag
Prof. Myriam Gautschi
Auszeichnungen:
- Auszeichnung »Seestern« in der Kategorie Masterstudium (Wahlfächer und Projekte), vergeben vom Bund Deutscher Architekten. Juroren waren die
Architekten Peter Fink (»Mühlich, Fink und Partner«, Ulm), Peter Ippolito (»Ippolito Fleitz Group«, Stuttgart, Zürich, Korea) und Frank Kaltenbach (»Detail« und Akademie der Bildenden Künste,
München), 2012
- Auszeichnung »VLOW!AWARD Senior«, vergeben im Rahmen der Designkonferenz »VLOW!12« in Bregenz , 2012
Station I: Ankunft am Hafen
Am Hafen beginnt der Aufenthalt des tschechischen Reformators Jan Hus in Konstanz. Bei seiner Ankunft war er voller Zuversicht, etwas verändern zu
können. Er wollte Grenzen überschreiten und seinen Mut beweisen. Diese Courage soll mit der Intervention am Hafen nach außen transportiert werden. Da das Bodenpflaster am Hafen tiefe und breite
Fugen aufweist, wurden eine Reihe von Fugen mittels Goldfolie ausgekleidet. Die im Licht schimmernde Goldfolie wird zur Lichtgrenze. Das überschwappende Wasser versinnbildlicht den Tatendrang von
Jan Hus, dessen Ankunft und die Überschreitung der »Grenze« ein Wagnis mit ungewissem Ausgang darstellt.
Station II: Herberge
Die heutige Hussenstraße 22 diente kurzfristig als Herberge und Rückzugsort von Jan Hus, bis er gefangen genommen wurde. Seine Herberge wurde ein
Ort des Denkens und des Briefeschreibens. Er beginnt zu erahnen, was ihn erwartet und ist voller Unruhe. Versinnbildlicht für die Unruhe steht ständiges Auf- und Ablaufen. Diese innerliche Unruhe
wurde durch die Intervention nach Außen übertragen. Dafür wurden alle Wände sowie die Decke eines Raumes in der Hussenstraße 22 komplett mit Spiegeln ausgekleidet. Der alte Holzboden, sowie die
in der Mitte des Raumes auf dem Boden angebrachte Lichtquelle spiegeln sich mehrfach. Die Bewegung und die »Unruhe« entstehen, indem sich der Betrachter von außen dem Fenster nähert und im
Vorbeigehen durch das Fenster in das Zimmer sieht. Mit jedem Schritt und jedem Blickwinkel wird ein neues irritierendes Bild erzeugt. Als Lichtquelle kommt eine Lampe auf dem Boden zum Einsatz,
die ein flackerndes, hektisches Licht erzeugt, welches abwechselnd heller und dunkler wird.
Station III: Gefängnis
Jan Hus wurde bereits nach kurzem Aufenthalt in Konstanz von Papst Johannes XXIII in das frühere Dominikanerkloster und heutige Inselhotel in
Gefangenschaft genommen. Da das Dominikanerkloster auf einer Insel liegt, die vom Wasser des Bodensees umringt wird, gab es keine Möglichkeit zu fliehen. Die Intervention »spiegelt« wider, dass
ein Entkommen unmöglich ist. Die Mauer, die die Insel umringt, wird optisch in die Höhe verlängert, indem das Geländer großflächig mir reflektierender Silberfolie eingekleidet wird. Die
Vergrößerung der Mauer verdeutlicht klar die Grenze, die zwischen den beiden Seiten (Insel und Wasser) »gezogen« wird. In der Folie spiegeln sich alle Formen, Strukturen, Bewegungen, Farben und
Lichter der Umgebung wider. Sie werden an der Grenze eingefangen und gelangen nicht auf die andere Seite. Umgekehrt lässt die Folie kein Eindringen von Objekten zu, die von »Außen« kommen.
Dadurch wird die Isolation von Jan Hus in seinem Gefängnis sichtbar gemacht.
Station IV: Konstanzer Münster
Nach einigen Monaten in Haft wurde Jan Hus im heutigen Konstanzer Münster seinen Weihen enthoben. Erzählungen zur Folge fuhr mit dem Schuldspruch
des Konzils der Teufel aus Jan Hus, der seinen Körper befallen hatte. Jan Hus stand im Eingangsbereich des Ganges zwischen den Sitzreihen, da er die Kirche nicht weiter betreten durfte. An dieser
Stelle bildete sich ein dunkler Fleck auf dem Boden des Münsters, der bis zum heutigen Tage sichtbar geblieben ist. Als der Schuldspruch fiel, waren die Augen vieler Menschen auf ihn gerichtet.
Seine Situation war mit einer Gerichtsverhandlung vergleichbar, in der der Angeklagte im »negativen Scheinwerferlicht« sitzt, weil alle Blicke auf ihn gerichtet sind.
Der bis heute zurückgebliebene Fleck auf dem Boden des Münsters ist gerade so groß, dass ein Mensch auf ihm stehen kann. Beim Betreten dieser Stelle wird die Person durch einen Scheinwerfer in
goldenes Licht gehüllt. Der Besucher durchschreitet somit eine Lichtgrenze, er wird aus der Masse heraus isoliert und erlebt das Gefühl der Anklage und der Isolation, welches Jan Hus an dieser
Stelle erlebt hat.
Station V: Der »Hussenstein«
Nach dem Schuldspruch im Münster folgte die Hinrichtung Jan Hus' auf dem Scheiterhaufen, umringt von einer Masse von Schaulustigen. Am
Hinrichtungsort steht heute ein Denkmal zu Ehren von Jan Hus – der Hussenstein. Dieser wird umringt von hohen Bäumen und symbolisiert den Ausgangspunkt für die Schaulustigen.
Für die Intervention am Hussenstein wurden die Bäume mit kleinen, quadratischen Spiegeln behängt, welche die Objekte, Formen, Farben und Strukturen der Umgebung durch beidseitige Spiegelflächen
aufnehmen und wieder abgeben. Dadurch wird der Kreis, der im übertragenen Sinne um Jan Hus gezogen wurde, neu reflektiert. Bei Nacht werden die Bäume mit Hilfe von roten Leuchtstrahlern in ein
tiefes Rot getaucht. Es entsteht ein Zusammenspiel zwischen Reflektionen und bewegten Oberflächen im Wind, die gleichzeitig die lodernden, roten Flammen symbolisieren, die Jan Hus von allen
Seiten umringt und bedroht haben.
Station VI: Der Seerhein
Nach der Verbrennung von Jan Hus wurde seine Asche zusammengetragen und in den Rhein geworfen. Die Verfolger wollten damit sicherstellen, dass nicht
die kleinste Spur von ihm übrig blieb. Sein Gedankengut und seine Person sollte verleugnet, versteckt und aus der Welt geschaffen werden. Jan Hus sagte einst: »Es ist so, dass ihr die Gans zum
Schweigen bringt, aber in hundert Jahren wird ein Schwan sich erheben, dessen Singen ihr nicht zum Schweigen bringen könnt.«
Die Intervention am Seerhein soll diesen Optimismus und das Weitertragen seiner Gedanken in die ganze Welt symbolisieren. Durch eine Betonung des fließenden Wassers mittels stark reflektierender
Folie wird diese Bewegung und die Zersträuung der Gedanken sichtbar gemacht. Durch die in lange Streifen geschnittene Gold- und Silberfolie zeichnet sich die Strömungswirkung des Wassers optimal
auf dem Material ab. Die Folie streift abwechselnd die Wasseroberfläche, mal sinkt sie in die Tiefe ab. Zusätzlich bricht tagsüber das Sonnenlicht auf der Folie und reflektiert es in verschiedene
Richtungen. Bei Nacht werden die Folienstreifen beleuchtet. Die auf- und absinkenden Folienstreifen visualisieren das Tagwerk von Jan Hus, das in die Welt hinausgetragen wird.
VLOW!AWARD Senior: Projektpräsentation
Während der dreitägigen Designkonferenz »VLOW!12« wurde das Projekt »Reflexionen: Jan Hus in Licht und Schatten« im Foyer des Bregenzer
Festspielhauses ausgestellt. Zeitgleich gewann das Projekt den »VLOW!AWARD Senior«.
Die VLOW!-Designkonferenz und die Vergabe des Awards findet im Zweijahrestakt statt. Es ist nicht möglich, sich für den Award zu bewerben.
Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz werden für den Award nominiert. Professoren aus den Bereichen Architektur und Gestaltung reichen die aus ihrer Sicht erfolgreichste
Studienarbeit ein. Diese wird von den beteiligten Studenten vor der VLOW-Jury vorgestellt und direkt im Anschluss debattiert.